Über Boomers, Gen Z und Unternehmenswerte
Interview mit Jean-Daniel Roth, Geschäftsführer von mycomm GmbH und Initiant der Fachkräfte Umfrage 2022.
Was war deine Motivation, die Fachkräfte Umfrage 2022 durchzuführen?
Ich wurde in den letzten Jahren zunehmend mit dem Thema Fachkräftemangel konfrontiert, sei es durch persönliche Gespräche mit Unternehmer:innen oder durch Medienbeiträge. Gleichzeitig las ich immer wieder Artikel über die Generation Z, die vor allem faul und fordernd sein soll. Das erinnerte mich an ähnliche Berichte, die vor ein paar Jahren über die Millennials geschrieben wurden, als sie den Arbeitsmarkt betraten. Auch damals belegte man die jungen Arbeitnehmenden mit einem Generationen-Etikett und befand sie für untauglich für die Arbeitswelt. Die stereotypisierten Darstellungen dieser Arbeitnehmenden Generationen machten mich stutzig und weckten meinen Forschergeist. Ich fragte mich, ob die Unterschiede zwischen den Altersklassen tatsächlich so gross sind, wie überall behauptet wird, und wie Unternehmen damit umgehen sollen.
Damals schon belegte man die jungen Arbeitnehmenden mit Generationen-Etiketten und befand sie für untauglich für die Arbeitswelt.
Wie bist du vorgegangen?
Zuerst studierte ich die demografischen Daten der Schweiz, die Auswirkungen der heutigen Geburten- und Sterberaten auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung und den Fachkräftemangel. Es war schnell klar, dass in den nächsten Jahren mit einer Akzentuierung des Fachkräftemangels zu rechnen ist. Zudem befasste ich mich intensiv mit den Generationen-Begriffen, über die zurzeit viel gesprochen wird. Martin Schröder, Professor für Wirtschaftssoziologie an der Philipps-Universität in Marburg, kommt in seinem Artikel «Der Generationenmythos» (2018) zum Schluss, dass die vielbeschriebenen Differenzen zwischen der sogenannten Generation Y, X, den Babyboomern, den ’68ern und der Skeptischen Nachkriegsgeneration kaum existieren. Er belegt diese Aussage mit 586.442 Beobachtungen von 80.459 Personen der Geburtenkohorten 1892 bis 1998 aus dem Sozio-ökonomischen Panel, der am längsten laufenden Langzeitstudie in Deutschland. Die populäre Meinung, dass sich die verschiedenen Generationen in ihren Einstellungen unterscheiden, konnte empirisch nicht bestätigt werden. Mit dieser Meinung steht Schröder nicht alleine. Ich habe viele Studien gelesen, die zu einem ähnlichen Schluss gekommen sind.
Das Generationenmodell konnte empirisch nicht bestätigt werden.
Weshalb sind diese Generationen-Etiketten so populär?
Das hat verschiedene Ursachen. Ein Grund besteht darin, dass viele Studien in der Vergangenheit ihren Fokus auf nur eine Generation legten. Dabei wurden in der Vergangenheit oft Hochschulabsolventen befragt, die noch wenig bis keinen Kontakt zur Arbeitswelt hatten. Wenn Sie 120 Student:innen befragen, was sie von ihrem zukünftigen Arbeitgeber erwarten, dann erhalten Sie ein verzerrtes Bild über die tatsächlichen Bedürfnisse dieser Generation. Einen weiteren Grund sehe ich darin, dass Generationen-Etiketten die Komplexität eines gesellschaftlichen Wandels stark vereinfachen, aber trotzdem einen seriösen Eindruck vermitteln. Zurzeit machen einige junge Agenturen gute Geschäfte mit diesem Konzept. Sie geben sich aus als Sprachrohre der Generation Z und erklären den «Alten», was sich junge Arbeitnehmende vermeintlich wünschen. Das Problem ist nur, dass sich viele Fachkräfte dieser Generation durch diese Agenturen nicht vertreten fühlen, weil sie zum Beispiel aus einem komplett anderen Milieu kommen und andere Werte vertreten.
Generationen-Etiketten vereinfachen einen komplexen gesellschaftlichen Wandel.
Gibt es denn keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Altersgruppen?
Die Fachkräfte Umfrage 2022 hat altersübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede zutage gefördert. Zum Beispiel legen junge Arbeitnehmende mehr Wert auf Work-Life-Balance und eine offene Unternehmenskultur. Zudem lässt sich unschwer erkennen, dass sich die Gesellschaft auch als Ganzes verändert. Zum Beispiel sehen wir, dass im Gegensatz zu früher hybride Arbeitsformen von vielen Arbeitnehmenden in hohem Masse geschätzt und eingefordert werden. Wer den veränderten Bedürfnissen der Fachkräfte nicht Rechnung tragen kann, erleidet einen Nachteil am Arbeitsmarkt.
Wer den veränderten Bedürfnissen der Fachkräfte nicht Rechnung tragen kann, erleidet einen Nachteil am Arbeitsmarkt.
Wie beeinflussen die Resultate aus der Fachkräfte Umfrage 2022 deine Beratungsarbeit?
Diese Studie hat mir ein aktuelles und klares Bild über die altersübergreifenden Job-Präferenzen von Fachkräften in der Deutschschweiz gegeben. Auf Basis dieser Erkenntnisse und unserer Erfahrung haben wir spezifische Tools entwickelt, die die Arbeitgeberattraktivität von KMU messen können. Zudem haben wir für KMU verschiedene Module erstellt, mit denen sie ihre Arbeitgebermarke Schritt für Schritt aufbauen können.
Wie geht ihr in einem Kundenprojekt vor?
In einem ersten Schritt erhalten unsere Kund:innen dank unserem Arbeitgeber-Check eine Aussensicht auf ihre Gesamtkommunikation als Arbeitgebende. Um eine Innensicht zu erhalten, setzen wir auf anonyme Mitarbeitenden-Befragungen. Nachdem wir die Stärken und Schwächen der Organisation ermittelt haben, bauen wir gemeinsam eine fundierte Employer-Branding-Strategie für das Unternehmen. Gleichzeitig beginnen wir schon mit der Vermarktung der vorhandenen Stärken. Entscheidend ist dabei immer, ob das Management die Strategie mitträgt und die eigenen Werte auch lebt.
Entscheidend ist immer, ob das Management die Strategie mitträgt und die eigenen Werte auch lebt.
Zum Schluss: Wie wichtig sind gelebte Unternehmenswerte?
Sehr wichtig. Werte beinhalten ein Werteversprechen, das eingelöst werden will. Hält eine Organisation ihre wertebasierten Versprechen nicht ein, dann verliert diese als Arbeitgeber sehr schnell an Glaubwürdigkeit. Nehmen wir an, eine motivierte und kompetente Fachkraft lässt sich bei einem Unternehmen einstellen, das den Wert «Arbeitsautonomie» hochhält. Erlebt nun diese Fachkraft vor Ort eine andere Kultur, als versprochen wurde, dann wird diese nicht lange im Unternehmen bleiben. Was dann bleibt, ist oft eine schlechte Arbeitgeber-Bewertung und hohe Kosten für das Recruiting und die Einarbeitung. Dies kann man vermeiden, wenn man das Gute auch tut, von dem man spricht.
Werte beinhalten ein Werteversprechen, das eingelöst werden will.